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Die Kraft aus dem Glauben: Gott geht alle Wege mit

Interview mit Schwester M. Basina Kloos

 

Waldbreitbach. Schwester M. Basina Kloos wird mit Wirkung zum 1. Juni 2015 ihr Amt als Vorsitzende des Vorstandes der Marienhaus Stiftung an Herrn Dr. Heinz-Jürgen Scheid übergeben. Nach über 40 Jahren des tatkräftigen und außerordentlichen Wirkens für die heutige Marienhaus Unternehmensgruppe beginnt für Schwester M. Basina Kloos, die in allen Phasen ihres Lebens Kraft aus dem Glauben schöpfte, in diesem Sommer eine neue Zeit. Auf den Wechsel  an der Führungsspitze hat sie sich und andere schon seit längerem vorbereitet.

Viele Mitarbeitende werden in diesen Tagen fragen, was Schwester Basina sich wohl für die nahe Zukunft vorgenommen hat. Was antworten Sie darauf?

Für die nächste Zeit habe ich mir, wenn Sie an Arbeit denken, gar nichts vorgenommen (lacht). Ich darf einmal völlig zweckfrei meine Zeit gestalten und mir für Körper und Seele etwas Gutes tun. So stehen erstmals lange Ferien (inkl. einem Urlaub an der See) ebenso auf meinem Programm, wie 30 Tage Schweigeexerzitien.
Ich werde viel lesen, Musik hören, die Natur wahrnehmen und mir Zeit für Besuche bei Menschen nehmen, denen ich mein Kommen schon seit Jahren verspreche. Ich lasse es mir also in diesen Tagen einmal gut gehen, so wie es mit den Ansprüchen einer Ordensfrau vereinbar ist. Ich bin dankbar, dass meine Nachfolgerin im Amt der Generaloberin mir eine Auszeit nicht nur zugestanden, sondern auch empfohlen hat.
Berufliche Termine wird es nur wenige geben. Ich werde die begonnenen Prozesse zu Ende bringen, wie den der Integration der ctt und begonnene Gespräche und Verhandlungen  fortführen, wie z. B. die mit Kooperationspartnern für die Errichtung einer Medizinischen Hochschule unter dem Dach der Edith Stein Trägerstiftung. Es muss in diesem Jahr mit dem Staat und allen Beteiligten klar werden, ob es gelingt. Die Aussichten sehen nicht schlecht aus. Aber das sind alles überschaubare Termine, die weder die Ferien noch die Exerzitien beeinträchtigen.
Für die Gestaltung der Zeit danach werde ich mich in den Exerzitien, in einem geistlichen Entscheidungsprozess, beschäftigen, um zu sehen, was wichtig ist. Themen wie Menschen am Rande der Gesellschaft beschäftigen mich, Frauenfragen und was an Themen in der Stille vielleicht noch wachsen wird. Also, ich sehne mich im Moment nach nichts Neuem und genieße die Zeit, denn 40 Jahre sind eine lange Zeit, in den Leitungsaufgaben im Orden und der Marienhaus.

40 Jahre in der Marienhaus. ­– Was waren denn für Sie die markantesten Begebenheiten in dieser Zeit?

Bei dieser Betrachtung gibt es ja zwei Seiten, die der ideellen Seite und die der wirtschaftlichen Seite.
Da ist für mich zuerst eine wichtige Wahrnehmung und bereichernde Erfahrung, wie viele Menschen für die Kultur, die auf dem Evangelium aufbaut, mit uns gehen. Es ist schön zu erleben, dass Menschen sich begeistern lassen, sich engagieren und unser Leitwort leben: Gottes Ja zum Menschen.
Dann gibt es die wirtschaftliche Seite, die Schwierigkeiten der letzten Jahre. Diese sind nicht spurlos an uns vorbeigegangen. Ich denke da konkret an die Veränderungen der Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen oder die Fusionsprozesse mit ihren wirtschaftlichen Herausforderungen. All diesen Herausforderungen zu begegnen war anstrengend und hat viel Zeit gebunden.

Was war im beruflichen Alltag für Sie die größte Herausforderung?
Da gibt es auch 2 Seiten: Als Ordensfrau hatte ich in dem Spannungsfeld zwischen Spiritualität und den Anforderungen der Zeit an mich zu leben. Was in den letzten 20 Jahren hinzugekommen ist, ist, dass wir vom Haus der Barmherzigkeit zum Gesundheitsanbieter geworden sind und es uns auf einen Markt verschlagen hat. Das ist für uns ein Paradigmenwechsel. Am Anfang habe ich mich sehr schwer damit getan, obwohl ich ja auch Kauffrau bin. Es galt Menschen mitzunehmen, d. h. zu vermitteln zwischen denen, die aus einer spirituellen Welt herausgewachsen sind, und denen, die in der betriebswirtschaftlichen Welt zu Hause waren. Beide Welten in einen Dialog zu bringen war nicht immer leicht, auch wenn ich denke, dass Ökonomie und Nächstenliebe kein Spannungsfeld darstellen muss.

Wie schätzen Sie die zukünftige Entwicklung des Gesundheitsmarktes ein?

Es wird einen sehr starken und immer härteren Wettbewerb geben. Die gesundheitliche Versorgung ist heute sicherlich die Aufgabe des Staates und als Ordensfrauen haben wir uns dazu entschieden und uns durchaus nicht nur einmal gefragt, ob es richtig ist, dass wir uns in diesen Markt einmischen, denn je enger und härter es in diesem Markt wird, desto schwieriger werden auch die ethischen Fragen.
Wenn man auf dem Land die medizinische Versorgung gewährleisten will, dann braucht es Menschen, die ihre Stimme erheben und sich hierfür auch dem Staat gegenüber einsetzen. Die aktuelle Diskussion um den assistierten Suizid zeigt einmal mehr auf, wie wichtig es ist, dass wir mitmischen in diesem ethischen Diskurs. Denn Christen werden immer weniger und als Christen wollen wir eine Gesellschaft mitgestalten, wo viele einen Platz haben, wenn sie sich auf die Kulturen miteinander einlassen können. Das ist sicher auch noch eine Herausforderung für unseren Träger.

Welchen Rat bzw. Gedanken würden Sie dem Unternehmen Marienhaus mit auf den Weg geben?

Ich bin sicher, dass mein Nachfolger und der gesamte Vorstand der Marienhaus Stiftung mit den Verantwortlichen der Marienhaus Holding die gesteckten Ziele weiter verfolgen werden.
Wenn ich heute auf das Unternehmen Marienhaus blicke, dann bin ich überzeugt davon, dass wir an vielen Orten für die nahe Zukunft gut aufgestellt sind. Aber das bedeutet nicht, dass sich irgendeine Einrichtung zurücklehnen kann, denn dafür ist der Wettbewerb zu sehr im Fluss.
Zudem ist es ratsam, wenn alle ohne Eitelkeiten auf ein positives Zusammenspiel aller Verantwortlichen achten, denn nur, wenn alle gemeinsam ein Ziel verfolgen, kann es gelingen, dass dieses erfolgreich erreicht wird.
Eine der notwendigen Voraussetzungen sind flachere Hierarchien im Unternehmen. Das haben wir inzwischen schon gesetzt, damit die Entscheidungen schneller gefasst werden können, wie z. B. dass Stiftungsvorstand und Holdinggeschäftsführung zu einer Ebene verschmelzen.
Mir ist es wichtig, dass bei allen Herausforderungen der Blick für die Menschen nicht verloren geht. Es wird künftig viel zu leisten sein, um die Arbeitsplätze zu erhalten und die Versorgung für die Menschen in der Fläche, für die wir Sorge tragen, zu gewährleisten. Die Investitionsfähigkeit mit neuen Wegen muss sichergestellt werden.
Schließlich ist ein weiteres wichtiges Thema für mich die Integration. Ich verstehe zwar die Sorge mancher Mitarbeiter im Hinblick auf wirtschaftliche Aspekte, sehe jedoch auch die Synergien und Chancen die sich aus dem Zusammenwachsen mit der ctt ergeben. Die Gründer unserer Unternehmungen hätten nichts erreicht, wenn sie nicht auch Risiken eingegangen wären und insofern denke ich, dass in einem solchen Prozess immer auch Licht- und Schattenseiten sind, die mit Weitsicht und wirtschaftlicher Verantwortung entschieden werden müssen.

Was ist Ihrer Erfahrung nach das größte Potential, das die Unternehmung Marienhaus hat?

Es sind die vielen engagierten Mitarbeiter. Das war im Rückblick auf die vergangenen Jahre zwar immer so, jedoch gab es auch schon immer Wellenbewegungen. Der Druck, der über das Gesundheitswesen in das Unternehmen hereinkommt, wirkt sich auch auf die Mitarbeitenden aus. Da habe ich in den letzten Jahren erlebt, dass diejenigen, die sich sehr mit dem Unternehmen identifizieren, mit uns diesen Druck mitgetragen haben. In diesen Wellenbewegungen kommt es auf solche Menschen an. Ich kenne viele, die sich schon seit 30 Jahren als Mitarbeitende einbringen und es ist wichtig, dass wir trotz des Fachkräftemangels Mitarbeitende mit dieser Werteorientierung und Haltung gewinnen.
Das ist kein einfacher Weg, denn die demografische Entwicklung fordert uns zudem natürlich geradezu heraus, die Pflege attraktiver zu gestalten. – Das ist mit ein Grund dafür gewesen, warum ich mich so für die Pflegekammer eingesetzt habe. Für den vor uns liegenden Weg ist ebenso auf die Ausbildung des Mediziners der Zukunft zu schauen.

Welche Erfahrung haben Sie im Laufe Ihres Lebens in Bezug auf die Rollen von Männern und Frauen im Berufsleben machen können?
Mir war es immer wichtig, Frauen zu fördern, weil ich viel von der Ergänzung von Männern und Frauen in Führungsverantwortung halte.
Im Stiftungsvorstand haben wir immer diese Ergänzung gelebt und ich habe dieses Zusammenspiel in der Stiftung immer sehr positiv erlebt, sehr inspirierend und partnerschaftlich. Ich kann nur empfehlen, dass frühzeitig eine Frau zu gegebener Zeit in die Entscheidungsorgane berufen wird.
Wichtig ist mir das förderliche Zusammenkommen der Charismen, die Frauen und Männern geschenkt sind. Ich möchte die jungen Frauen ermutigen, dass sie ihre Charismen bewusst leben und den Fortschritt in Pflege und Medizin mitgestalten.

Welche positiven Begebenheiten werden Sie rückblickend auf die vergangenen Jahre in besonderer Erinnerung behalten?
Da war die Seligsprechung unserer Gründerin, Mutter Rosa. Meine Wahrnehmung ist die, dass seinerzeit alle Einrichtungen begeistert mitgegangen sind. Es war auch schön zu sehen, wie es mit allen drei Trägern ein Miteinander und spirituelle Erfahrungen während der Heilig-Rock-Wallfahrt gegeben hat. Vieles ist damals bereits für die Zukunft gewachsen. Die Assisifahrten bieten heute eine solche Plattform mit guten Nachwirkungen.

Aufgrund Ihrer langjährigen Erfahrungen hatten Sie die Idee, den Wechsel an der Führungsspitze im Rahmen eines Prozesses zu gestalten. Mit Herrn Dr. Scheid besuchten Sie beispielsweise gemeinsam viele Einrichtungen, um ihn als Ihren Nachfolger an den jeweiligen Standorten  vorzustellen.  Wie haben Sie sich auf diesen Prozess vorbereitet oder war dies gar kein Thema für Sie?
Doch. Es war ein spiritueller Weg, der dem Prozess einige Zeit zuvor bereits vorausgegangen ist und für mich ist es auch nicht das erste Mal.
Natürlich ist es nicht leicht, von Menschen Abschied zu nehmen, mit denen man so viele Jahre den Weg zusammen gegangen ist. Aber das gehört zum Leben. Es ist eine Gesetzmäßigkeit des Lebens.
Ich habe mich damit auseinandergesetzt und denke, dass es mir gelungen ist. Menschlich möchte und werde ich mit vielen in Verbindung bleiben.
Aber wichtig ist loszulassen. Ich lebe als die, die ich bin und eine Position ist für mich nie das Wichtigste im Leben gewesen.

Gibt es für Sie Träume, Wünsche oder Ziele, die Sie sich anzugehen vorgenommen haben, wenn Sie etwas mehr Zeit als bisher zur Verfügung haben?
Ja. Das habe ich. Aber die verrate ich Ihnen nicht, denn ich bin ja auch Ordensfrau und daher will ich solche Überlegungen erst einmal mit meiner Nachfolgerin besprechen.

Bedeutet das, dass wir vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt noch mit einem neuen Weg rechnen dürfen, den Sie gehen werden?

(lacht) Mich hat immer der leitende Gedanke inspiriert: Gott geht alle Wege mit, wenn man sie bewusst mit ihm im Dialog erringt. Das hat mir immer Kraft gegeben. Ohne die Kraft aus dem Gebet, der täglichen Zwiesprache mit Gott, und natürlich auch, dass es immer Menschen gegeben hat, die mich auf dem Weg und in der Zusammenarbeit gestützt haben, wären die über 40 Jahre so sicher nicht möglich gewesen. Für die nächste Zeit habe ich mir nur vorgenommen, mehr Zeit zu haben.

 

 

Das Interview führte Dr. Claudia Gerstenmaier.